33 - Die Einladungsbriefe zum Islam

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33 - Die Einladungsbriefe zum Islam

Nachdem er von Hudaybiya zurückgekehrt war, ließ der Prophet sechs Einladungsbriefe, die er von seinen Schriftführern hatte schreiben lassen, durch seine Boten an führende Staatsoberhäupter seiner Zeit schicken (Muharram 7 / Mai 628). Er achtete darauf, dass die Boten über die Region informiert waren, in die sie geschickt wurden; körperliche Schönheit sowie ethische Integrität besaßen, gute Redner und begabte Repräsentanten waren. Außerdem hatte er, entsprechend der Tradition und den Regeln der Diplomatie, zum ersten Mal ein Siegel herstellen lassen, auf dem "Mohammed Rasulullah" (Mohammed, der Gesandte Allahs) stand, und benutzte dies auf seinen Briefen. (Kunst-Kultur: Hilya link)

Zwei der Briefe wurden an die zwei großen Staaten und Supermächte der Zeit, an Byzanz und das Sassanidenreich gesandt. In den Jahren der Geburt des Islam wurde der Mittlere Osten zum Schauplatz des Kampfes zwischen diesen beiden Großmächten, welcher schon ein paar Jahrhunderte dauerte. Die Sassaniden hatten im Jahr 614 Jerusalem erobert, das heilige Kreuz, welches für die Christen von unschätzbarem Wert war, mit in ihre Hauptstadt Medain (Ktesiphon) gebracht, und nachdem sie um 619 n. Chr. Ägypten erobert hatten, waren sie über Anatolien bis vor Istanbul gekommen. Byzanz, das seinen Kampf gegen die Sassaniden fortführte, siegte, als Kaiser Herakleios der Hauptarmee der Sassaniden im Jahr 627 n. Chr. in Nineva (Ninova) eine schwere Niederlage beibrachte.

Der Einladungsbrief des Propheten wurde an den sassanidischen Herrscher (Kisra) Husraw Parwiz II. durch Abdullah b. Huzafa übermittelt. Verärgert darüber, dass sein Name im Brief nach dem Namen „Mohammed" geschrieben worden war, zerriss der Kisra den Brief und verlangte von Bazan, seinem Gouverneur in San'a (Jemen) Information über den Propheten. Der Prophet, der davon erfuhr, dass sein Brief zerrissen worden war, wurde darüber sehr bekümmert und wünschte von Allah, dass Kisra wegen seines unverschämten Benehmens bestraft werde. Kurz darauf schickte Bazan, der Statthalter von Jemen, zwei seiner Männer nach Medina. Durch eine Offenbarung erfuhr der Prophet, dass Husraw Parwiz durch seinen Sohn getötet worden war, und erzählte dies den Boten. Sie sollten Bazan sagen, dass es ihm erlaubt werde, als Statthalter weiter zu arbeiten, falls er den Islam annehme. Daraufhin wurden Bazan und die Bewohner Jemens zu Muslimen. Mit dem ersten muslimischen Gouverneur Jemens begann sich der Islam in dieser Region zu verbreiten. Viele arabische Stämme schickten zu verschiedenen Zeiten Delegationen nach Medina und teilten mit, dass sie den Islam angenommen hatten.

Als Bote zu Herakleios, dem Kaiser von Byzanz, wurde Dihwa b. Halifa al-Kalbi beauftragt. Der Inhalt des Briefes, der hier als Beispiel für die Einladungsbriefe widergegeben wird, war der folgende:

"Bismillahirrahmanirahim. Von Mohammed, dem Diener und Gesandten Allahs, an Herakleios, den Kaiser von Byzanz,

Begrüßt seien diejenigen, die den rechten Weg befolgen. Nehme den Islam an, sodass du Erlösung findest und Allah dich doppelt belohnt. Falls du dies ablehnst, wirst du für die Sünden der Menschen, für die du verantwortlich bist (Arîsîyîn), büßen. "O Ahl al-Kitab(1)! Kommt zu dem Wort, das wir gemeinsam haben: Lasst uns nur Allah dienen und ihm nichts gleichsetzen. Lasst keinen von uns anstelle von Allah einen anderen als Gott anbeten. Falls sie sich von euch abwenden, sagt: Seid Zeugen, wir sind Muslime (Al-i Imran 3/64)."

Um Gott seine Dankbarkeit auszudrücken, weil er die Sassaniden nach jahrelangen Kriegen in Ninova ein für alle Mal besiegt hatte, befand sich Kaiser Herakleios zu jener Zeit in Jerusalem. Er hatte vor, eine Pilgerreise durchzuführen und bei dem Besuch der heiligen Stadt das heilige Kreuz wieder an seiner alten Stelle zu errichten. Durch die Vermittlung des Gouverneurs von Busra empfing der Kaiser den Boten des Propheten, Dihye. gemäß den Überlieferungen lud er Abu Sufyan und seine Freunde, welche sich gerade auf einem Handelsaufenthalt in Syrien befanden, um sich über Mohammed (sav) zu informieren, ein. Nachdem er sich über die Herkunft von Mohammed (sav), seine Familie, seine Bekannten, seine Stellung in der Gesellschaft, seine Persönlichkeit, seine Botschaft und seine Grundprinzipien informiert hatte, sagte er, dass das, was er gehört hatte, geeignet wäre, Eigenschaften eines Propheten zu sein. Herakleios hatte den Boten gemäß den diplomatischen Regeln als Gast akzeptiert und mit Geschenken zurückgeschickt.

Der dritte Brief wurde durch Amr b. Umayya ad-Damri, an den abessinischen König Nadschaschi Aschama überbracht. Aschama, der in der Vergangenheit die nach Abessinien ausgewanderten Muslime gut behandelt und die Rückgabeforderungen der Quraisch abgewiesen hatte, gab eine zustimmende Antwort auf den Brief des Propheten und nahm den Islam an. Er schickte verschiedene Geschenke an den Propheten und ließ die auf seinen Wunsch in Abessinien gebliebenen Muhadschir zusammen mit dem Boten nach Medina ziehen.

Der vierte Brief wurde von Hatib b. Abu Beltea an Mukawkis (Dschuraydsch b. Mina), dem byzantinischen Hauptgouverneur von Ägypten, überbracht. Obwohl Mukawkis kein Muslim war, hieß er den Boten willkommen. Nachdem er sich über den Propheten und den Islam informiert hatte, entließ er den Boten mit einem Antwortbrief und Geschenken. Unter diesen Geschenken befanden sich zwei seiner Konkubinen, die Geschwister Maria und Schirin, ein Eunuch, 1.000 Miskal Gold (ein Miskal = 4-5 gr.), ein weißer Maulesel (Duldul), wertvolle Kleidung und Stoffe. Der Prophet nahm Maria zur Frau und sie gebar ihm Ibrahim.

Der fünfte Brief wurde durch Schudscha b. Wahb al-Asadi an einen der Ghassanidischen Könige, Harith b. Abu Schamir geschickt. Harith erzürnte sich über den Brief, warf ihn auf den Boden und drohte, Medina anzugreifen.

Der sechste Brief wurde durch Salit b. Amr an das in Yamama lebende Haupt des Stammes Banu Hanifa, Hawza b. Ali geschickt, welcher als Dichter und Hatip (Redner, Prediger) bekannt war. Er behandelte und bewirtete den Boten zwar sehr gut, gab ihm jedoch auch einen Brief mit, in dem stand, dass er den Islam nicht annehmen werde.

Mit dem Ziel, den Islam zu verkünden, hat der Prophet ähnliche Briefe an viele auf der arabischen Halbinsel lebende Stammeshäupter und manchmal sogar an einzelne Personen geschickt.  In den prägnanten Briefen wurden die Personen mit ihren Titeln angeschrieben, es wurden keine bedrohenden oder erniedrigenden Ausdrücke gegen sie verwendet und sie wurden eingeladen, nur an Allah zu glauben, und Mohammed (sav) als seinen Diener und Gesandten anzuerkennen. In den an die Stammeshäupter geschickten Briefen wurde ausdrücklich vermerkt, dass es dem Stamme erlaubt sein werde, in seinem eigenen Gebiet zu bleiben, dass die Mitglieder des Stammes und ihr Hab und Gut gesichert sein würden, falls der gesamte Stamm den Islam annahm. Manchen Stämmen wurden Land, Weideland oder Minen angeboten. Es wurde ausdrücklich betont, dass diejenigen die den Islam annahmen, Allah und seinem Gesandten gehorchen, das Gebet praktizieren und Zakat (Armensteuer) abgeben müssten. In den Briefen, die nach dem Ayat über die Dschizya (Steuern) (at-Tauba 9/29), offenbart im 9. Jahr nach der Hidschra (630 n. Chr.), geschrieben wurden, stand, dass man von allen Juden, Christen und Feueranbetern (al-Madschus, Anhänger des Zoroastertums), welche die Herrschaft des Islam anerkannten, jedoch nicht Muslime wurden, Dschizya einfordern werde.


 


(1)Ahl al-Kitap: Leute des Buches; d.h. Juden, Christen und Muslime.