Was ist Aschura? Was geschah am Aschura-Tag?

Editor

Freitag, 30. April 2010

Was ist Aschura? Was geschah am Aschura-Tag?

ImageDer Monat Muharram ist für die Muslime einerseits als erster Monat im Hidschri-Kalender und andererseits wegen des Aschura-Tages von besonderer Bedeutung.

Die Bedeutungen, die Aschura hat oder die man Aschura beimisst, sind ausgesprochen vielfältig. Die Geschichte der Aschura reicht bis in alte Zeiten zurück, die Bräuche wurden jedoch bis in unsere Tage in aller Lebendigkeit bewahrt.

Was ist Aschura?

Nach dem Hidschri-Kalender ist der zehnte Tag des Monats Muharram der Aschura -Tag. Die Wurzel des Wortes „Aschura" ist das arabische Wort „aschr", welches die Zahl zehn bedeutet. Schon in vorislamischer Zeit wurde diesem Tag von vielen Religionen und Glaubensrichtungen eine besondere Bedeutung verliehen, denn im Laufe der Geschichte festigte sich der Glaube, dass an diesem Tag eine Reihe wichtiger Ereignisse stattgefunden habe. Diese können wie folgt aufgelistet werden:

An diesem Tag akzeptierte Allah Adams Reue und verzieh im. Adam war aus dem Paradies auf die Erde vertrieben worden.

An diesem Tag landete die Arche Noah auf dem Berg Dschudi und die Gläubigen in der Arche wurden errettet.

Moses und sein Stamm wurden am Aschura-Tag von der Grausamkeit des Pharaos gerettet.

 Jesus und Moses wurden an diesem Tag geboren.

Die Errettung Jonas‘ aus dem Bauch des Wals vollzog sich am Aschura-Tag.

Salomon wurde an diesem Tag Macht und Reichtum verliehen.

Fasten am Aschura-Tag

Zur Erinnerung an die Errettung Moses von der Grausamkeit des Pharaos am Aschura- Tag verbringen die Juden diesen Tag mit Fasten. Auch in der arabischen Gesellschaft der vorislamischen Zeit wurde am Aschura-Tag gefastet, ebenso ist glaubwürdig überliefert, dass der Prophet, bevor er das Fasten im Ramadan zur Pflicht erklärte, das Aschura-Fasten ausgeübt und dieses auch seinen Gefährten befohlen hat. Nachdem der Prophet das Ramadan-Fasten zur Pflicht erklärt hatte, änderte sich sein Verhalten bezüglich des Fastens am Aschura-Tag. In einem Hadith wird seine Empfehlung folgendermaßen ausgedrückt: ‘Während der Zeit der Dschahiliya war dies ein Tag, an dem die Menschen fasteten. Doch als das Fasten im Monat Ramadan zur Pflicht geworden war, wurde der Gesandte Allahs zum Fasten am Aschura-Tag befragt. Darauf sagte er, dass der Aschura-Tag ein Tag Gottes wie alle anderen Tage sei, an dem jeder wie es ihm beliebe, fasten oder nicht fasten könne‘.  

Aus vertrauenswürdigen Quellen wird überliefert, dass der Gesandte Allahs, nachdem er das Ramadan-Fasten zur Pflicht erklärt hatte, eine Zeit lang das Fasten am Aschura-Tag nicht ausgeübt habe, später jedoch wieder von Zeit zu Zeit auch an diesem Tag fastete. Der Prophet betonte allerdings im Bezug auf dieses Fasten, dass es, um einen jüdischen Brauch nicht unreflektiert zu übernehmen oder gar Aberglauben in die neue Religion eindringen zu lassen, es besser sei, nicht nur am zehnten Tag des Muharram, sondern hintereinander am neunten, zehnten und elften Tag zu fasten.  

Kerbela: Ein leidvoller Tag in der Geschichte des Islam

Das leidvollste Geschehen in der Geschichte des Islam, aus dessen Anlass die Muslime seit Jahrhunderten trauern, ist das Kerbala-Ereignis, das sich ebenfalls am 10. Muharram, im Jahre 61 nach der Hidschra (1. Oktober 680 n. Chr.), also am Aschura-Tag, ereignete. Später wurde dieser Aschura-Tag insbesondere als großer Trauertag der Schia bekannt.

Durch das Ereignis in Kerbala, bei dem in der Nähe der Stadt Qufa der Enkel des Propheten, Husain, mit seinen Anhängern den Märtyrertod erlitt, erhielt der Aschura-Tag im Laufe der Zeit weitere Bedeutungen. Dieser Tag, der bisher stets als „Tag der Dankbarkeit" begannen worden war (Moses‘ Errettung, die Landung der Arche Noah auf dem Berg Dschudi und die oben erwähnten weiteren erfreulichen Ereignisse), wurde nun zu einem Tag der Trauer.   

Diese leidvollen Ereignisse sollten in der Geschichte des Islam der Grund dafür werden, dass die politischen Richtungen Glaubensdimensionen bekamen und dass, sei es durch die Schia, sei es durch die Umayyaden, dieser Tag politisch instrumentalisiert wurde und dadurch dessen geistige/moralische Bedeutung an zweite Stelle trat.

Die Aschura-Speise und der Aschura-Tag bei den Osmanen

Im Alltagsleben der Bevölkerung Anatoliens und der Osmanen hatte Aschura, genau wie noch heute, einen wichtigen Platz inne. Neben dem empfohlenen Aschura- Fasten wurde in diesen Tagen die heute als Süßspeise genossene Aschura-Speise gekocht und anschließend unter Nachbarn, Freunden und Bekannten verteilt.

Der althergebrachte und weiterhin gepflegte Brauch des Aschura-Kochens wurde in Anatolien hauptsächlich von Berufsverbänden gemeinsame als großes Ereignis durchgeführt.

In Istanbul hingegen war, wie bei vielem anderen, der Palast tonangebend. In den riesigen Kesseln der Palastküchen wurde nach tagelangen Vorbereitungen Aschura gekocht. Es war üblich, dass die Aschura-Speise in einer besonderen Zeremonie zuerst dem Sultan und den Bewohnern des geschlossenen Teiles des Palastes, dann den Staatsbeamten und schließlich in den öffentlichen Armenküchen verteilt wurde.

Der größte Anteil der Aschura jedoch wurde unter der Begleitung von Gebeten an das Volk verteilt. Nachdem die enormen Kessel der Palastküche mit gekochter Aschura-Speise in langen Reihen auf dem Talimhane-Platz in Istanbul aufgestellt worden waren (im 19. Jahrhundert waren dies jedes Mal ungefähr 60 Kessel und die Menge der gekochten Aschura betrug mehrere Tonnen), pflegte der Imam der Ersten Palastküche (Matbah-ı Amire) zu beten. Nach dem „Amin" des Volkes wurden die vergitterten Tore geöffnet, vor jedem Kessel bildeten sich lange Schlangen und die mitgebrachten Schüsseln wurden mit Aschura-Speise gefüllt.