Eine grosse Auswahl religiöser Musik finden Sie im Musikarchiv auf unserer türkischen Seite.
Die klassische türkische Musik wird ihrer Eigenschaft nach unterteilt in Musik mit Gesang und Instrumentalmusik; wobei in der gesungenen Musik wiederum zwischen a) religiöser Musik und b) nicht religiöser Musik unterschieden wird. Als eine besondere Musikart entwickelte und formte sich die religiöse Musik in der islamischen Welt hauptsächlich während der osmanischen Zeit. Mit den Themen „Allah" und „Mohammed", die im Rahmen mystischer Konzeption bearbeitet wurden, besteht die religiöse Musik aus der Moscheemusik und der Sufimusik. Die Moscheemusik bezeichnet den Gesang, der in der Moschee während, vor, oder nach dem gemeinsamen Beten ausgeübt wird und meistens aus improvisierten gesungenen Melodien besteht. Die mystische Musik hingegen ist ein Überbegriff, der alle religiösen Werke, die im Kreis von mystischen Versammlungen, manchmal auch mit der Beteiligung von Instrumenten (insbesondere der Langhalslaute (Saz)), vorgetragen werden, umfasst.
Unter den religiösen Werken, die untereinander neben vielen Gemeinsamkeiten auch manche Unterschiede in der Kompositionsart aufweisen, haben die Stücke, die die Geburt des Propheten, seine Wunder, seine guten Eigenschaften, seine Moral, seine Miradsch (Himmelsreise), seine Hidschra (Auswanderung) oder verschiedene Abschnitte seines Lebens zum Thema haben, eine besondere Stellung. Diese Werke der religiösen Musik über den Propheten Mohammed (sav), die unter den verschiedenen, meist nach bestimmten Reimregeln aufgebauten islamisch-türkischen Literaturarten bearbeitet und gemäß den Regeln der türkischen Musik geformt wurden, sind die folgenden:
Sala (Salat, Salawat):
Die Sala sind manchmal komponierte, manchmal improvisiert vorgetragene religiöse Gebetssprüche an Mohammed (sav). Sie wurden geschrieben, um die Gnade Allahs zu erbitten, Schutz bei ihm zu finden, dem Propheten und seiner Familienangehörigen ehrenvoll zu gedenken, um seine Schafaat (Fürsprache) zu erbitten oder Liebesbekundungen und Lobpreisungen an Mohammed (sav) auszusprechen. Das Vortragen der arabischen und prosaischen Texte der Sala wird als „Sala geben, Salawat aussprechen" bezeichnet. Die Sala werden entweder gemeinsam oder einzeln in der Moschee oder auf dem Minarett vom Muezzin (Rufer zum Gebet), in den Tekke vom Dhakir (Vortragender; von türk. „zikretmek", (wiederholen, zitieren)) vorgetragen. Früher wurden die Sala morgens vor dem Adhan (Ezan / Gebetsruf), mittags, nachmittags und nachts nach dem Adhan vorgetragen. Abends wurde aus Zeitmangel kein Sala ausgerufen. Außerdem ist bekannt, dass bei verschiedenen religiösen und mystischen Versammlungen von Zeit zu Zeit Sala ausgerufen werden. Die Arten der Sala können wie folgt aufgelistet werden:
Der Morgensala: Der Morgensala wird in der Dilkeschhaveran Tonart und mit festgelegter Komposition vor dem Adhan des Morgengebetes ausgerufen. Neben der Überlieferung, dass der Komponist Buhurizade Mustafa Itri Efendi (gest. 1711) war, gibt es auch Meinungen, nach denen es Hatib Zakiri Hasan Efendi (gest. 1623) war(1)
Freitags - und Feiertagssala: Dieser Sala wurde vor den Freitags-und Feiertagsgebeten im Muezzinmahfil (Abschnitt der Moschee, der für den Muezzin bestimmt ist) gegenseitig von zwei/mehreren Muezzin vorgetragen. Der Komponist dieses Werkes in der Bayati Tonart ist Hatib Zakiri Hasan Efendi. Heutzutage ist solch ein Vortrag der Sala an Feier-und Freitagen in den Moscheen nicht mehr zu sehen(2)
Sala bei Beerdigungen: Bei diesem Sala wird unter dem Sala, der mit der Absicht, die Todesnachricht zu verkünden, ausgerufen wird und dem Sala, der während des Tragens des Leichnams zum Grab und nach der Beerdigung ausgesprochen wird, unterschieden:
a) Der Beerdigungs-Sala, der vom Minarett ausgerufen wird, verkündet die Zeit für das Beerdigungsgebet, welches nicht festgelegt ist. Die Quellen deuten darauf hin, dass dieser Brauch erstmals bei den Fatimiden in Ägypten ausgeübt wurde. Heute ist dieser Brauch weiterhin beibehalten, indem der Beerdigungs-Sala eine Stunde vor dem Adhan ausgerufen wird, damit sich die Menschen, die an dem Beerdigungsgebet teilnehmen wollen, vorbereiten können.
b) Bei der Beerdigungszeremonie nach dem Beerdigungsgebet wurde der Sala dhikirartig (Dhikr/ Zikir -„Gedenken an Allah"; darunter versteht man im Islam die intensive Anbetung Allahs, wobei meistens bestimmte Namen oder Gebetssprüche wiederholt werden) zusammen mit den Anwesenden ausgesprochen. Der Komponist dieser Sala in der Hussaini - Tonart ist Dhakiri Hassan Efendi. Heute werden solche Begräbnisse nicht mehr veranstaltet(3)
Salat al-Ummiyya: Dieser Sala wird bei religiösen Zeremonien, an bestimmten religiösen Tagen, also überall da, wo Sala ausgesprochen werden, mit dem bekannten Text rezitiert. Dieses überlieferte Werk war von Itrî in der Segah-Tonart komponiert worden.
Außerdem gibt es noch den Sala, der mit dem Vers „Allahumma salli alal Mustafa" nt und nach dem Teravihgebet (tägliches, freiwilliges Gebet im Monat Ramadan, das dem normalen Nachtgebet folgt) in der Mahur-Tonart ausgesprochen wird, und den Salat al-Kamaliyya und Salat al-Mündschiya, die auf verschiedenen Ordensversammlungen vorgetragen werden.
Na't:
Na't ist der Name der musikalischen Form der Werke, die verfasst wurden, um den Propheten und seine guten Eigenschaften zu preisen und diese zu erzählen, um ihm zu gedenken und ihn um Schafaat (Fürbitte) zu bitten. Die Texte der Na't wurden hauptsächlich aus den türkischen, arabischen oder persischen Gedichten mystischer Dichter ausgewählt. Die Na't können in zwei Gruppen unterteilt werden: in solche vorgetragen in Moscheen, und in solche vorgetragen in den Tekke. In der Moschee werden diese Werke nach der Koranrezitation vor den Feier-und Freitagsgebeten vom Na'than (Vortragender der Na't), in den Tekke am Anfang der Dhikr oder dazwischen vorgetragen. Die Na't werden meistens von einer Person und frei (improvisiert) vorgetragen, aber es gibt auch Beispiele von komponierten Na't. Die Na't haben einen langsameren Rhythmus als die Ilahi (religiöse Lieder) und sind in ihrer Art ernster und kunstvoller.
Tevşih /Tewschih:
Die Tevşih sind komponierte Verse, die zwischen den Maulid- und Miradschiye-Kapiteln (Bahir, Hane) gesungen werden und die Mohammed (sav) loben oder eine seiner Eigenschaften zum Thema haben. Bei der Textwahl der Tevşih werden überwiegend Texte mystischer Poeten, die einen Diwan geschrieben haben, bevorzugt. Die Tewşih wurden hauptsächlich auf Türkisch geschrieben, es gibt jedoch auch solche auf Arabisch oder Persisch. Die Tevşih sind von der Musikalität her kunstvoller als die Ilahi und wurden meistens in hohen Tonarten wie Devr-i Kebir, Çenber/Tschenber, Zencir/Zenschir geschrieben.
Es ist von höchster Wichtigkeit, dass bei den Tevşih, die zwischen den verschiedenen Kapiteln des Maulid rezitiert werden, auf die Harmonie von Text und Tonart geachtet wird. Wenn zum Beispiel der Miradsch-Teil gesungen wird, muss darauf geachtet werden, dass der Tevşih, der diesem Teil vorangeht, auch in den jeweiligen Tonarten gesungen und der Text auch Verse über die Miradsch beinhaltet.
Maulid/Mawlid:
Das Maulid (-Gedichtswerk) besteht aus Versen, die die Geburt des Propheten, diverse Abschnitte seines Lebens, seine Wunder und seinen Tod zum Thema haben. Die islamisch-türkische Literatur ist reich an Werken mit diesen Themen, wobei das Gedicht von Sülayman Çelebi (gest. 1422) mit dem Titel „Vesiletü'n-necat", beendet im Jahre 1409 in Bursa, das bekannteste ist und bis heute gelesen und vorgetragen wird. Das Werk wurde im Aruz-Metrum in der „Failatün Failatün Failün" - Form in einem schlichten Türkisch geschrieben, sodass es seit damals in fast allen Gebieten des Osmanischen Reiches zu einem geläufigen Brauch geworden ist, dass vor allem an den Geburtstagen des Propheten, dem Maulid Kandili (Nacht der Geburt), an religiösen Tagen und Nächten (türk. Kandil) des weiteren bei Geburten, Beerdigungen, Beschneidungsfeiern, Hochzeiten, Gedenktagen wichtiger Persönlichkeiten und ähnlichen Ereignissen, bei denen man sich versammelt, um Freude und Trauer gemeinsam zu teilen, ein Maulid gesungen wird. Vermutlich wurde das Maulid von Süleyman Çelebi persönlich, oder Sinaneddin Yusuf (gestorben 1565) komponiert, der heute bekannte einzige Komponist dieses Werkes ist jedoch Sekban aus Bursa (17. Jahrhundert). Diese Komposition des Maulid wurde bis zum Ende des 19. Jahrhunderts gesungen; ging jedoch danach verloren und gelang somit nicht bis in die heutige Zeit. Heutzutage wird das Maulid in Einhaltung einer bestimmten Reihe der Tonarten zwischen den Kapiteln, genannt „Bahir", vorgetragen. Zwischen den Maulid-Kapiteln wurden eine Zeit lang der Reihe nach Aschr-i Scharif, Tevşih und Kasida gesungen. Da aber dieser Brauch verloren ging, wird heute beim Übergang zum nächsten Kapitel nur ein Aschr-i Scharif oder ein Ilahi gesungen.
Miradschiyya:
Das Wort Miradsch bezeichnet die Himmelsreise des Propheten, die im neunten Jahr seiner Prophetenschaft in der Nacht des 27. Radschab stattfand, und bei der er von der Kaaba (Masdschid al-Haram) zur Aqsa-Moschee, von dort aus in den Himmel und zu Allah erhoben wurde. Deshalb wird der 27. Radschab in der ganzen muslimischen Welt als „Miradsch-Kandil" (Nacht der Himmelfahrt) gefeiert.
Die Dichtungen, welche die beeindruckenden Abschnitte des außergewöhnlichen Wunders bezüglich der Miradsch-Nacht, welche ein phänomenales Ereignis der Menschheitsgeschichte darstellt, enthalten, werden „Miradschiyya, Miradschname" genannt. Diese Gedichte wurden überwiegend im iranischen und türkischen Kulturkreis verfasst, wobei nur die Osmanen eine musikalische Form eingeführt haben. Das bekannteste Werk ist die Miradschiyya komponiert vom Scheich des Mevleviordens in Galata, Kutbünnâyî Osman Dede (gest.1729). Das Werk enthält sieben Abschnitte (hane) in verschiedenen Tonarten. Ein Teil dieses Werkes geriet ende des 19. Jahrhunderts in Vergessenheit und ist heute verloren. Von den zwischen den verschiedenen Abschnitten vorgetragenen Tevşih haben vier einen arabischen Text und stammen von Scheich Mehmet Nasûhî (gest. 1718). Ein Tevşih ist in Persisch mit einem Text von Mevlana Celaladdin Rumi (gest. 1273).
Diese Miradschiyya von Kutbünnâyî Osman Dede wurde zum Miradsch-Kandil (Feier anlässlich der Nacht der Himmelfahrt) drei aufeinander folgende Nächte meist in Moscheen, in den Versammlungsorten des Mevleviordens und in den Tekke vorgetragen. Vor jedem Abschnitt der Miradschiyya wurde den Zuhörern Milch gereicht; dies als Erinnerung daran, dass Mohammed (sav) bei seiner Himmelfahrt aus den ihm angebotenen Gaben Milch wählte.
Ilahi:
Ilahi sind nach den Regeln und Tonarten der klassischen türkischen Musik komponierte Formen der Gedichte, die in der islamisch-türkischen Literatur religiös-mystischen Inhalt haben und die Liebe zu Allah und dem Propheten ausdrücken. Die Ilahi werden unterteilt in Ilahi vorgetragen in Moscheen und solche vorgetragen in den Tekke. In der Tekke werden die Ilahi während dem Dhikir, in der Moschee zwischen verschiedenen Gebeten oder während verschiedenen religiösen Versammlungen gesungen. Früher gab es für jeden Monat des Hidschrakalenders komponierte Ilahi. In den Maulid-Monate genannten Monaten Rabi al-Awwal und Rabi al-Akhir war es ein geläufiger Brauch, neben den Tevşih und Na't auch Ilahi zu singen, deren Texte verschiedene Eigenschaften des Propheten erzählten.
Kasida (Lobrede, Eulogie):
Die Kasida sind die von einer Person in einer oder mehreren Tonarten improvisiert gesungenen Formen der Gedichte, die Allah und den Propheten preisen, die von wichtigen Persönlichkeiten in der Religion und dem Respekt, der diesen Personen zu zeigen ist, erzählen und auch mystische Themen beinhalten können. In den Moscheen und Tekke sind die beliebtesten Kasida diejenigen, die von Mohammed (sav) erzählen.
Auch die Ragaibiyya, die hauptsächlich die Eigenschaften der Eltern des Propheten darstellen und die Mohammediyya von Yazıcıoğlu Mehmed Efendi (gest. 1451), sind in Moscheen die bevorzugten und meistgesungenen religiösen Werke. Die Mohammediyya von Yazıcıoğlu wurde nach Süleyman Çelebis Maulid das beliebteste Werk in der Bevölkerung und wurde vor allem in der Moschee von „Mohammediyyahan" genannten Hafiz (jemand, der den Koran auswendig kennt) vorgetragen.
(1)Der Text des Morgensala besteht aus drei Teilen:
1. es-Salât ü ve's-selâmü aleyk
2. Yâ seyyidenâ yâ Resûlallâh " " " Habîballah " " " Nebiyyallah " " " Hayra halki'l-lâh " " " Nûra arşi'l-lâh
3. Allah, Allah, Allah, Mevlâ hû.
(2)Der Text des Freitagssala besteht aus vier Teilen:
1. Yâ Mevlâ Allah
2. Leyse'l-îydü limen lebise'l-cedîd İnneme'l-îydü limen hâfe mine'l-vaîd Leyse'l-îydü limen rakebe'l-matâyâ İnneme'l-îydü limen terake'l- hatâyâ Leyse'l-îydü limen beseta'l-bisât İnneme'l-îydü limen tecâveze ala's-sırât Leyse'l-îydü limen tezeyyene bi zîneti'd-dünyâ İnneme'l-îydü limen tezevvede bi zâdi't-takvâ Leyse'l-îydü limen nazara envâi'l-elvân İnneme'l-îydü limen nazara cemâli'r-Rahmân
3. Ve salli ve sellim alâ es'adi ve eşref-i nûr-i cemî' i'l-enbiyâ-i ve'l-mürselîn
4. Ve'l-hamdü lillâhi rabbi'l-âlemîn.
(3)Der Text des Sala bei Beerdigungen besteht ebenfalls aus vier Teilen:
1. Lâ ilâhe illallah vahdehû lâ şerike leh ve lâ nazîra leh, Muhammedün emînullahi hakkan ve sıdkan. Allâhümme salli alâ seyyidinâ Muhammedin ve alâ
2. Ve alâ âl-i Muhammed.
3.Vesalli ve sellim alâ es'adi ve eşref-i nûr-i cemî'l-enbiyâ-i ve'l-mürselîn.