Das Verhältnis des Propheten zu seiner Familie und seinen nahen Verwandten

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Mittwoch, 28. April 2010

Das Verhältnis des Propheten zu seiner Familie und seinen nahen Verwandten

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Es ist zu erkennen, dass der Prophet bei der Organisation des sozialen Lebens Richtlinien festsetzte, die sich auf den Koran beziehen. Das Prinzip der Brüderschaft aller Muslime, dasjenige der gegenseitigen Hilfe und Unterstützung der Menschen und der gemeinsame Kampf gegen die Unterdrückung sind einige Beispiele für diese Richtlinien. Es gibt hinsichtlich der Gestaltung des sozialen Lebens neben diesen Leitfäden auch Ausführungen, die von Mohammed (sav) begonnen wurden und dann übernommen und weitergeführt wurden. Die Gleichberechtigung aller Muslime, ob stark oder schwach, arm oder reich, die Verbrüderung der Ansar und der Muhadschir in Medina - eine konkretere Beziehung als die allgemeine Bruderschaft des Islam -, die gegenseitige Unterstützung, Beschenkung und Begrüßung, sind einige weitere erwähnenswerte Beispiele.  All diese Maßnahmen und Maxime waren darauf ausgerichtet, eine harmonische und friedliche Gesellschaft zu errichten.

Auch die Beziehung zum nahen Umfeld, zu der Familie und der nahen Verwandtschaft, spielt in diesem Sinne eine wichtige Rolle. Zu Zeiten der Unwissenheit (Dschahiliya) führte die Stammesbigotterie der Araber zu zügellosen Wutausbrüchen, weshalb Verwandte notgedrungen nahe zueinanderstanden. Diese Umstände führten stets zu Stammeskriegen und Stammesstreitigkeiten. Das beispielhafte Verhalten Mohammeds (sav) innerhalb seines Stammes und innerhalb der Familie legte die Stammesbigotterie jener Zeit beiseite und setzte das Familien- und Verwandtschaftsverhältnis in einen vertretbaren und gesetzlichen Rahmen.

Die Beziehung des Propheten zu seiner Familie und seinen nahen Verwandten kann man auch als seine Beziehung zum Ahl al-Bayt ausdrücken. Zudem zeigen sowohl der Koran und die Hadith als auch die Semantik der arabischen Sprache, dass der Begriff Ahl al-Bayt diese zwei Elemente in sich einschließt. Es wird allgemein akzeptiert, dass dieser Begriff im engen Sinne Ali (ra), die Frauen und Kinder des Propheten und seine Enkelkinder Hasan (ra) und Husain (ra), und im weiteren Sinne alle muslimischen nahen Verwandten des Propheten mit einschließt.

 

Das Verhältnis des Propheten zu seinen Frauen

Nach dem Tode Khadidschas hat der Prophet noch weitere Ehen geschlossen. Es wird berichtet, dass der Gottesgesandte nach seinem Tod neun Frauen hinterließ.

Sechs seiner Frauen stammten aus dem Stamm der Quraisch. Diese waren Khadidscha, Aischa, Hafsa, Umm Habiba, Umm Salama und Sawda. Araberinnen, die nicht vom Stamm der Quraisch stammten, waren Zaynab bint Dschahsch, Maymuna bint Harith, Zaynab bint Khuzayma, Dschuwayriya bint Harith; Nichtaraberinnen waren Safiyya bint Huyay und Maria al-Kiptiyya vom Stamm der Banu Nadir. Zu Lebzeiten des Propheten verstarben zwei seiner Frauen, Khadidscha und Zaynab bint Khuzayma. Das Familienleben des Propheten vollzog sich im Rahmen der islamischen Grundsätze und zeigte sich in der Praktizierung dieser theoretischen Prinzipien. Um im Familienleben den diesseitigen und jenseitigen Frieden zu erlangen, empfahl der Prophet seiner Gemeinde das Prinzip, welches das Fundament des Familienglücks darstellt: „Der Gesegneteste unter euch ist derjenige, der seiner Gemeinde Gutes tut. Ich bin der Beste unter euch zu seinen Frauen. Der Beste unter euch ist der Beste zu seinen Frauen, der Schlechteste unter euch ist der Schlechteste zu seinen Frauen."

Alle seine Kinder, außer Ibrahim, stammen von seiner Frau Khadidscha. Die Kinder waren Kasim, Abdullah, Zaynab, Ruqayya, Umm Khulthum und Fatima. Sein Sohn Ibrahim wurde von Maria geboren. Seine Söhne starben alle in Kindesalter; nur seine Töchter wurden erwachsen und heirateten.

Die Eheschließungen des Gottesgesandten beruhten alle auf bestimmten, verschiedenen Umständen und Gründen. Sie waren in jedem Sinne Modelle für die Muslime. Seine Ehe mit Khadidscha zeigt uns die monogame Beziehung und Lebensweise; die anderen Ehen hingegen zeigen uns die vom Propheten vorgelebten vielfältigen Verhaltensweisen gegenüber den unterschiedlichen Persönlichkeiten seiner Frauen.

Es ist erwähnenswert, dass die Ehefrauen in ihren gegenseitigen Beziehungen stets aufrichtig und treu zueinander gewesen sind. In der Beziehung des Propheten zu seinen Ehefrauen sind für Aufrichtigkeit und Treue als unverzichtbare Bestandteile eines gesunden Familienlebens unzählige Beispiele vorhanden. Die Beziehung zu Khadidscha begann auf wirtschaftlicher Basis und führte später zu einer Ehe, wobei die Treue eine außerordentliche Stellung einnahm. Sowohl vor als auch nach dem Beginn seiner Prophetie hat Khadidscha finanziell und moralisch Mohammed (sav) stets unterstützt. Nach seiner ersten Offenbarung kam er aufgeregt und verängstigt zu Khadidscha und erzählte ihr von seinem Erlebnis. Khadidscha zählte daraufhin die Tugenden des Propheten auf und sprach: „Nein bei Gott, Allah wird dich nicht beschämen" und bestätigte, dass der Bote ein Engel gewesen war und er ein Prophet.

Ein anderes Beispiel für die Treue der Frauen des Gottesgesandten war die Situation, in der sich die Frauen weltliche Güter wünschten, und sich nach einer Offenbarung, in der ihnen Wahlfreiheit zugestanden wurde (al-Ahzab 33/28-33), freiwillig nicht weltliche Güter sondern Allah, den Propheten und das Jenseits wählten.

Als Gegenleistung zu der Treue seiner Ehefrauen gewährte der Prophet seinen Frauen ihre Rechte. Das Beachten der gegenseitigen Rechte innerhalb des Ehelebens wird im Wesentlichen auch im Koran offen gelegt (al-Baqara 2/228): „...So wie die Männer Rechte an die Frauen haben, so haben auch die Frauen Rechte an den Männern...". Ein Beispiel für seinen Gerechtigkeitssinn wäre z. B., wie er ausloste, welche seiner Frauen ihn der Reihe nach bei seinen Reisen begleiten durfte und er für jede seiner Frauen einen Tag und eine Nacht zuteilte. Auch wenn es nach mehreren Überlieferungen heißt, dass Mohammed (sav) Aischa mehr mochte als die anderen Frauen, so war dies doch nie ein Grund gewesen, sie zu bevorzugen. Er praktizierte dies vorbildhaft und deutete auch bei seiner Abschiedswallfahrt darauf: „Sieht ihr Menschen, ihr habt Rechte an euren Frauen. Sie müssen euer Recht befolgen. Und sie haben Rechte an euch. Verhaltet euch sanft zu ihnen. Behandelt sie liebevoll..."

Alle Frauen des Propheten hatten seinen Rechten als Ehemann und Prophet Folge geleistet und behüteten genauestens die Eigenschaften, die auf seine Prophetie zurückzuführen waren. Einst kam der Anführer der Polytheisten aus Mekka nach Medina, um das Hudaybiya-Abkommen zu verlängern. Als die Menschen sich nicht um ihn kümmerten, ging er zu seiner Tochter Umm Habiba und wollte sie um Hilfe bitten. Als er zu seiner Tochter ging, wollte er sich auf den Platz des Propheten Mohammed (sav) setzen, was Umm Habiba ihm jedoch nicht erlauben wollte. Daraufhin fragte Abu Sufyan: „Stellst du diesen Platz über mich, oder mich über diesen Platz?" und sie antwortete: „Du bist ein Polytheist, ein Unreiner, du kannst dich nicht auf den Platz des Gottesgesandten setzen."

Ein weiterer wichtiger Aspekt des Familienfriedens waren die Liebe und der Respekt der Frauen untereinander. Diesbezügliche Hinweise sind sowohl in mehreren Hadith zu finden, als auch in seinem praktischen Leben wiederzuerkennen. In einem Hadith heißt es: „Der Beste unter den Gläubigen ist der mit dem besten Charakter. Der meist Gesegnete unter euch ist der, der seine Frau gut behandelt". An einer anderen Stelle „niemand soll seiner Frau gegenüber Groll hegen, wenn er die eine Seite an ihr nicht mag, so wird er eine andere mögen", „Ich empfehle euch, euch gut zu euren Frauen zu verhalten ..."; all diese Anordnungen sichern die Liebe und den Respekt zwischen den Ehepartnern. Der Prophet erinnerte sich auch nach deren Tod voller Liebe an Khadidschas Respekt und Opferbereitschaft. Als er sich einst erneut an sie erinnerte, sagte Aischa: „Wieso erwähnst du ständig diese alte Frau? Allah hat dir eine bessere Frau geschenkt" woraufhin der Gottesgesandte erregt antwortete „Allah hat mir keine bessere als sie gegeben. Sie hat an mich geglaubt, als keiner an mich glaubte, sie hat mich bestätigt, als mich alle der Lüge bezichtigten, sie hat mir ihr ganzes Hab und Gut zur Verfügung gestellt, als mir niemand etwas geben wollte und sie schenkte mir ein Kind, als niemand ein Kind schenken konnte". Auf die Frage, wen er am liebsten habe, antwortete er, dass ihm die liebste Frau Aischa und der liebste Mann deren Vater sei. Dies beweist die Liebe und den Respekt des Propheten zu seinen Frauen.

Wir können sehen, dass bei der Beziehung des Propheten zu seinen Familienmitgliedern neben Toleranz und Opferbereitschaft auch der Zusammenhalt in Freude und Trauer eine wichtige Stelle einnahm. Er hatte ihre ehelichen Wünsche und ihre Handlungen stets toleriert und sie in ihren Verhaltensweisen gar unterstützt. So wollte sich Aischa die Schwerttanzvorstellung der Äthiopier ansehen, was er auch erlaubte und gar zusah, dass sie die Vorstellung bis zum Ende verfolgen konnte.

Als der Prophet nach der Eroberung von Khaybar gemeinsam mit seiner neu anvertrauten Frau Safiyya nach Medina kam, ging Aischa sie besuchen. Als der Gottesgesandte sie später fragte, was sie von ihr halte, antwortete Aischa: „Wie ein kleines jüdisches Mädchen"(da Safiyya ursprünglich einer jüdischen Familie angehörte). Sowohl persönliche Gründe als auch die Schönheit von Safiyya verleiteten Aischa zu dieser Antwort, worüber er sich jedoch nicht ärgerte und sie mit folgenden Worten korrigierte: „Sag das nicht Aischa, sie hat den Islam angenommen und ihr Islam ist sehr schön".

Er erhielt in schwierigen Tagen die größte Unterstützung von seiner Familie. In ihrem Beispiel ist die schönste Form des Familienzusammenhalts wiederzufinden. Im Jahr des Hudaybiya-Abkommens bereiteten sich die Muslime auf die Umra vor. Doch die Polytheisten hatten ihnen trotz all dieser Vorbereitungen den Zugang nach Mekka versperrt und mit ihnen ein Abkommen getroffen. Das Abkommen hatte einige Punkte, welche sich gegen die Muslime richteten, und es wurde darin für eben dieses Jahr auch die Umra verboten. Als das Abkommen unterschrieben wurde, waren die Muslime sehr traurig und konnten dies nur schwer akzeptieren. Der Prophet sprach: „Steht auf, opfert eure Tiere und zieht euch um" und wiederholte dies dreimal, doch wollte ihm niemand gehorchen. Der Gottesgesandte war sehr traurig über diesen Vorfall und erzählte dies seiner Frau Umm Salama. Sie sagte: „Siehe du Gesandter Allahs, geh hinaus, opfere dein Tier, ohne mit jemandem zu sprechen, dann ruf jemanden und rasiere dich und zieh dich um". Und so handelte er auch. Seine Gefährten beobachteten ihn, opferten unwillig ihre Tiere und zogen sich um. Zu einem Zeitpunkt, an dem die Muslime aus Trauer und Groll gegen die Ungläubigen nicht einmal auf den Propheten hören wollten, und dieser sehr traurig darüber war, erteilte Umm Salama einen Rat, der sowohl die Gehorsamkeit der Muslime wieder herstellte als auch der Trauer Mohammeds (sav) ein Ende bereitete.

Eine andere Qualität, die seine Familie auszeichnete, war ihre Geduld und Genügsamkeit gegenüber finanziellen Schwierigkeiten. Einige seiner Frauen stammten aus armen Verhältnissen und andere wiederum aus reicher Familie. Alle bewiesen jedoch große Geduld und verzichteten, um seiner willen, auf alle weltlichen Güter. Nach einer Überlieferung von Aischa heißt es: „Wir, die Familie Mohammeds, hatten manchmal während der Zeit eines Monats nicht einmal Feuer (zum Kochen). Das Einzige, was wir besaßen, waren getrocknete Datteln und Wasser". Eine andere Überlieferung „Die Familie Mohammeds hat bis zu ihrem Tod keine drei aufeinanderfolgenden Tage Weizenbrot gegessen" ist Ausdruck für jene Genügsamkeit und Geduld.

Es gibt mehrere Überlieferungen, die uns zeigen, dass Mohammed (sav) das arme und genügsame Leben dem Reichtum und Luxus vorgezogen hat. Er betete einst: „Allah, schenke mir das Leben eines Armen, nimm mir mein Leben als das eines Armen und halte mich zusammen mit den Armen" und Aischa (ra) fragte ihn nach dem Grund und er antwortete: „Denn sie werden 40 Jahre vor den Reichen in den Himmel einkehren. Siehe Aischa, wende dich den Armen nie ab, gib alles, was du besitzt. Selbst wenn dies nur eine halber Dattel ist...".

In einem Hadith spricht der Gottesgesandte: „Der Mann ist der Hirte seiner Familie und hat für sie zu sorgen. Die Frau ist der Hirte des Hauses ihres Mannes und dafür verantwortlich" und erweitert den Rahmen und sagt „Ihr alle seid Hirten und verantwortlich für euer Heer". Dies deutet auf die Erziehung zu Sittlichkeit, Moral, Tugendhaftigkeit und Erziehung innerhalb der Familie.

 

Seine Beziehung zu seinen Kindern

Auch in seiner Beziehung zu seinen Kindern spielt Erziehung eine wichtige Rolle. Er erzog sie nach islamischem Anstand und Sittlichkeit und kümmerte sich auch nach ihrer Heirat um sie. Dies war manchmal sowohl aus finanziellen Gründen, als auch aus seelischen Bedürfnissen nötig gewesen. Er machte keinen Unterschied zwischen seinen eigenen Kindern und denen seiner späteren Frauen. Er erwies ihnen denselben Respekt und gab ihnen dieselbe Liebe und ermahnte sie wenn nötig auch. Als er eines Tages den Sohn Umar von Umm Salama, der früheren Frau Abu Salamas, sah, wie er seinen Teller von allen Seiten belöffelte, mahnte er ihn folgendermaßen: „Sohn, sage bismillah, speise mit der rechten Hand und iss, was vor dir steht". Und die Tatsache, dass er seine Tochter Fatima (ra) und ihren Mann Ali (ra) jeden Morgen zum morgendlichen Gebet abholte, zeigt, dass er seine Kinder selbst nach ihrer Heirat weiterhin zu erziehen pflegte.

Neben seinen Verpflichtungen gegenüber den Offenbarungen pflegte Mohammed (sav) sich als Mensch und als Vater über die Freuden seiner Kinder zu erfreuen und über ihre Trauer zu trauern. Abu'l-As, der Ehemann seiner älteren Tochter Zaynab kämpfte in der Schlacht zu Badr gegen die Muslime und wurde als Kriegsgefangener festgenommen. Als die Gefangenen gegen Geld freigelassen wurden, bot Abu'l-As die Halskette Zaynabs an. Als der Prophet diese Halskette sah, welche Khadidscha ihrer Tochter als Hochzeitsgeschenk gegeben hatte, wurde er traurig und sprach zu seinen Gefährten: „Wenn ihr wollt, nehmt diese, wenn ihr wollt, lasst sie". Die Gefährten sahen seinen Kummer und gaben ihm die Kette zurück. Mohammed (sav) verlangte von Abu'l-As, seine Tochter Zaynab nach Medina zu bringen. Er hielt sein Wort und übergab sie dem Propheten. Dieser war sehr darüber erfreut, dass seine Tochter wieder bei ihm war, und würdigte Abu'l-As' Verhalten. Und auch als seine Tochter Ruqayya (ra) gemeinsam mit ihrem Mann Uthman nach Äthiopien auswanderte und er lange Zeit nichts von ihnen hörte, war er sehr besorgt gewesen und freute sich um so mehr, als er von einer Frau erfuhr, dass es ihnen gut gehe. Auch das Weinen am Grab seiner Tochter Umm Kulthum ist ein bekanntes Bild seiner Trauer. Über seine Tochter Fatima und seinen Schwiegersohn Ali und deren Kinder Hasan und Husain gibt es in Hadith- und Geschichtsquellen mehrere solcher Beispiele.

Im Grossen und Ganzen kann man sagen, dass das Familienleben des Gottesgesandten aufgrund seiner Qualitäten sowohl in materiellem als auch geistig/moralischem Sinne ein Model darstellt und die Maxime, die er in seinem Familienleben anwandte, ihre Gültigkeit stets beibehalten werden. Dass der Frieden in der kleinsten sozialen Einheit, nämlich der Familie, auch den Frieden in der Gesellschaft gewährleisten kann, ist am deutlichsten im Familienleben des Gottesgesandten zu erkennen.

 

Sein Verhältnis zu seinen nahen Verwandten

Eine andere Dimension seiner sozialen Beziehungen ist sein Verhältnis zu seinen nahen Verwandten. Diese Beziehung war ähnlich derjenigen zu seiner Familie, nur ist der Kreis hier etwas größer. Dass Mohammed (sav) bereits vor der Zeit der Prophetie von der arabischen Gesellschaft geachtet und gewürdigt wurde, ist uns bereits bekannt. Dieser gesellschaftliche Respekt hängt auch mit seiner nahen Verwandtschaft zum Quraischstamm zusammen. Neben all diesen gut geführten Beziehungen pflegte er auch eine liebevolle Beziehung zu näheren Verwandten wie Onkel und Tanten, was sich zwischen den Zeilen mehrerer Überlieferungen lesen lässt. Als Beispiel kann hier die Überlieferung, worin Khadidscha ihn nach dem Empfangen seiner ersten Offenbarung beruhigte, dienen. Sie tröstete Mohammed (sav) damals mit den Worten: „Nein, Allah wird dich nicht beschämen. Du gibst das Recht seinem Besitzer, hilfst den Bedürftigen und ehrst deine Verwandten".

Ein weiteres Beispiel seines Zusammenhalts und seiner Loyalität zu seinen nahen Verwandten ist die Aufnahme Alis (ra), des Sohnes seines Onkels, den er zu sich nahm und großzog. Historische Überlieferungen berichten, dass der Onkel des Propheten, Abu Talip, mehrere Kinder besaß und in finanzieller Not war und der Prophet Ali zu sich nahm, um seinem Onkel das Leben zu erleichtern. Es heißt, dass auch Abbas einen Sohn seines Bruders Abu Talip aufnahm, um ihm in seiner Not behilflich zu sein.

Dieses gute Verhältnis des Propheten zu seinen nahen Verwandten spiegelt sich auch nach dem Beginn der Prophetie in seinen Einladungen zum Islam wieder. Er begann mit seiner Verkündung zuerst bei seinen Verwandten. Als ihm der Vers „Ermahne deine engsten Verwandten" offenbart wurde, begab sich der Gottesgesandte auf den Safahügel und lud die Stammesoberhäupter des Stammes der Quraisch zum Islam ein. Nach einer Überlieferung von Ibn Abbas war der Gottesgesandte mit allen Verwandtschaftszweigen des Quraischstammes verwandt. So verkündete er den Islam ihnen zuerst und stellte dabei keinerlei Ansprüche. Er wollte lediglich, dass sie ihn um ihrer guten Verwandtschaftsverhältnisse willen in Frieden ließen.

Mit dem Beginn der Prophetie und der Verkündung des Islam waren die engen Verwandten, die an Allah und den Propheten glaubten, stets an seiner Seite. In den harten und schweren Anfangsjahren war es Abu Talip, sein Onkel, der Mohammed (sav) vor der Pein der Ungläubigen beschützte. Und ein anderer Onkel, Hamza (ra), unterstützte ihn im Kampf zu Uhud und starb dabei den Märtyrertod. Sein Onkel Abbas wurde erst später Muslim, aber stand dem Propheten für den Rest seines Lebens bei.

Neben seiner finanziellen und moralischen Solidarität zu seinen nahen Verwandten hatte Mohammed (sav) den Muslimen auch einige Ratschläge für eine dauerhafte und anhaltende Verwandtschaftsbeziehung erteilt. Jemand fragte ihn, welche Tat ihn ins Paradies führen würde, und der Prophet empfahl ihm: „Bete zu Allah, dem du nichts beigesellst, bete das rituelle Gebet, gebe die Almosensteuer, pflege deine Verwandtschaftsbeziehungen". Ein weiteres Beispiel ist die Botschaft, dass das Beenden der Beziehungen zu den Verwandten den Menschen in die Hölle bringe, und das Pflegen dieser Beziehungen den Reichtum vergrößere. Und folgende Überlieferung setzt den Rahmen der Verwandtschaftsbeziehungen; der Gottesgesandte sprach: „Derjenige, der nur das ihm seitens seiner Verwandten widerfahrende Gute erwidert, kümmert sich nicht wirklich um diese. Derjenige, der sich wirklich um seine Verwandten kümmert, tut ihnen Gutes, selbst wenn sie ihm Schlechtes tun". Dass der Prophet forderte, selbst das Verhältnis zu ungläubigen Verwandten aufrecht zu halten, ist sehr beachtenswert.

Nach einigen Überlieferungen ist zu erkennen, dass Mohammed (sav) seine nahen Verwandten, als seine Ahl al-Bayt bezeichnete und sie in manchen schwierigen Situationen beschützte. Abbas b. Abdulmuttalip, der Onkel des Propheten, sagte: „Als eine Gruppe des Quraischstammes untereinander sprach und uns sah, hielten sie inne. Wir erzählten dies dem Gottesgesandten. Und er sprach: „Wieso halten diese Menschen inne, wenn sie mein Ahl al-Bayt zu Gesicht bekommen? Ich schwöre bei Allah, derjenige, der in seiner Liebe zu Allah und mir mein Ahl al-Bayt nicht liebt, der wird keinen wahrhaften Glauben in seinem Herz tragen".

Nach einer Überlieferung von Müslim hatte der Prophet Mohammed (sav) die Muslime auf sein Ahl al-Bayt aufmerksam gemacht und befohlen, ihre Rechte zu beachten. Dieses von Zayd b. Arqam überlieferte Hadith namens „Sakalayn" umfasst sowohl die Empfehlungen des Propheten an die Muslime hinsichtlich seiner Verwandten, als auch die Aussage, dass alle seine nahen Verwandten zum Ahl al-Bayt gehören. Im für uns relevanten Abschnitt dieser langen Überlieferung heißt es: " Seht ihr Menschen, gebt acht! Ich bin nur ein Mensch (wie ihr). Ich bin ein von Allah gesandter Bote. Ich hinterlasse euch zwei wichtige Dinge. Das Erste ist das Buch Allahs, der Koran; es beinhaltet Rechtleitung für euch und das Licht (Allahs). Haltet an diesem Buch fest und richtet euch danach." Dann sagte er: "Und (das zweite sind) die Ahl al-Bayt, meine Familienmitglieder. Ich rufe euch auf, um Allahs willen, meine Familienmitglieder in angemessener Weise zu behandeln, um Allahs willen, achtet meine Familienmitglieder!" und wiederholte dies dreimal. Als man Zayd b. Arqam im Anschluss an diese Überlieferung fragte, wer zum Ahl al-Bayt gehöre, nannte er die Familien von Ali, von Aqil, von Dschafar und von Abbas (ra), also alle nahen Verwandten des Gottesgesandten. Ähnlich wie in dieser Überlieferung werden die Muslime auch bei anderen Hadith an die Verwandten des Propheten erinnert und die Muslime zeigten schließlich diesen Verwandten eine ähnliche Liebe und Respekt wie ihm selbst. Andererseits wurde seinen Verwandten die Annahme der Almosensteuer verboten und sie erhielten nach Anweisung des Korans einen bestimmten Anteil der Kriegsbeute. Der Prophet verteilte ein Fünftel eines Fünftels der Beute an seine Verwandten; er gab Banu Haschim und Banu Muttalip einen Anteil, Banu Umayya jedoch erhielt nichts. Dies zeigt, dass Mohammed (sav) die Gräueltaten der Banu Umayya zu Beginn des Islam nicht vergessen hatte und sie daher aus diesem Kreis ausschloss.

Mohammed (sav) freute sich über die Freuden seiner Verwandten und trauerte mit ihrer Trauer. Er saß einst mit seinen Gefährten in der Moschee, als Ali hereinkam und nach einem geeigneten Platz suchte. Abu Bakr erkannte an seinem Gesichtsausdruck, dass er Platz für Ali wünschte, und rückte selbst beiseite und rief „Hierher, Abu Hasan". Mohammed (sav) freute sich sehr über dieses Einfühlungsvermögen des Abu Bakr und sprach: „Siehe Abu Bakr, die Tugendhaftigkeit der Tugendhaften wird allein von den Tugendhaften erkannt".

Zusammenfassend ist zu sagen, dass Mohammed (sav) in seiner Beziehung innerhalb der Familie und der nahen Verwandtschaft sehr einfühlsam gewesen ist, die Erziehung in den Vordergrund stellte und jeden mit Liebe und Respekt behandelte. Das Leben des Propheten diente den Muslimen, wie in allen Bereichen, auch in diesem Falle als Vorbild, und man war bemüht, eine harmonische Beziehung innerhalb der Familie und Verwandtschaft zu führen, um so eine friedfertige Gesellschaft gründen zu können.